An der Grenze
Die Weinrunde in Triest
Tagebucheintrag vom 23.11.07
Dass es ein Grenzgang sein würde, war klar. Zumindest in geografischer Hinsicht. Von der ehemaligen k&k-Hafenstadt Triest ist es ja nur einen Steinwurf bis zur slowenischen Grenze.
Dass mich aber auch die Weine an die Grenzen meines Wissens und meiner Erfahrungen bringen würden, darauf war ich nicht vorbereitet. Deshalb beiße ich noch, als hätte ich einen stark tanninhaltigen Wein im Mund, den es weichzukauen gilt.
Die Präsentation, die unser Hugo eingefädelt hat, ist professionell vorbereitet. Francesco Rizzati, ein Mitarbeiter der Handelskammer empfängt uns in der „expo mittelschool“, einer Einrichtung der Handelskammer.
expo steht für esposizione, es geht um die lokalen Produkte, die dort präsentiert werden. „school“ weist auf den Lehrbetrieb im Bereich der Gastronomie hin, der dort stattfindet, ähnlich einer Hotelfachschule, und das „mittel-„ soll auf die zentrale Lage Triests in einem vereinten Europa hinweisen, in dem sich die Märkte vor allem in Richtung Osten geöffnet haben.
Wir werden uns mit lokalen autochthonen Weinen beschäftigen, die „secondo natura“ produziert sind, also im Weinberg so natur schonend wie möglich, unter Verwendung von Naturhefen, auf die Spontanvergärung vertrauend. Wie uns Francesco erklärt, ist der Karst an sich schon schwieriges Terrain: trockener, steiniger Kalkboden, geringe Erträge. Diesen Bedingungen trotzen die hiesigen Weinbauern ihre Weine ab.
Die erste Herausforderung für uns: in einem schwarzen Weinglas bekommen wir einen Wein eingeschenkt. Handelt es sich um einen Weiß- oder einen Rotwein? Wir sind geteilter Meinung. Die Nase könnte auch zu einem Rotwein passen, ebenso die etwas verhaltenen, aber durchaus vorhandenen Tannine. Die Erklärung vom jungen Vodopivec, einem ambitionierten Weinbauern, den Francesco eingeladen hat: sein Wein, aus der autochthonen, gegen Bora und sommerliche Trockenheit resistente Vitovska-Traube gekeltert, liege 2 Wochen auf der Maische. Er und sein Bruder, die seit dem Jahr 1994 kräftig in den Weinbau investiert haben, vertrauen auf Naturhefen und Spontanvergärung. Zudem wird auch die Gärtemperatur nicht kontrolliert. Dadurch spiegeln die Jahrgänge auch viel deutlicher die unterschiedlichen klimatischen Bedingungen wider, die jedes Jahr anders sind. Die lange Mazerationszeit bewirkt die Extraktion von Tanninen und Polyphenolen, was den tiefgelben, ungefilterten Wein zudem auch langlebig macht. Dazu trägt auch die 2jährige Lagerung im Holzfass bei. Die Philosophie der Vodopivec-Brüder ist, aus der Traube das herauszuholen, was sie herzugeben imstande ist.
unsere Gaumen sind scheinbar noch nicht genug gefordert. Benjamin Zidarich, ebenfalls eingeladen, um seine Weine vorzustellen, wird uns erneut auf die Probe stellen. Er erzählt uns von seinem terrano, wie in in dieser Gegend der Refosco genannt wird, einem Wein, in dem sich das Terroir sehr gut abbildet. Die von uns verkosteten Weine haben fast durchwegs eine etwas rustikale, leicht bittere Note, auffallende Tanninstruktur und angenehm wenig Alkohol, ohne aber dadurch dünn zu wirken. Zidarichs Weine werden 2 Jahre lang im Fass gelagert, wodurch sie bereits etwas von ihren Kanten verlieren. Charakteristisch für die Gegend ist die rote, eisenhaltige Erde, die den karstigen Boden bedeckt. Sie gibt dem Wein eine gewisse Mineralität. Die Jahrgänge sind recht unterschiedlich, für uns haben sich vor allem der Jahrgang 04 und vor allem 06 von den anderen abgehoben.
Tags darauf geht es Richtung Norden in die Colli Orientali del Friuli, genauer nach Savorgnano nordöstlich von Udine zur Kellerei AQUILA DEL TORRE. Diesmal war es Matthäus, der die Kontakte hergestellt hat. Die Kellerei befindet sich in der „Oasi del Picolit“, dem Herzstück des Picolit-Anbaugebietes. Aus der kleinbeerigen Picolit-Traube werden inzwischen seltene und teure Dessertweine gekeltert. Genau diesen sind wir auf der Spur.
Michele Ciani, der Sohn der Familie, die seit 1996 das Weingut bewirtschaftet, erklärt uns die Besonderheiten dieses Süßweines. Die Trauben werden für 20 bis 30 Tage nach der Lese im Oktober getrocknet, und sobald sie den richtigen Zuckergehalt haben, werden sie abgepresst. Nach der Fermentation im Holzfass reift der Wein für ca. 24 Monate in Barriques.
Die Verkostung des Jahrganges 2003 bietet ein interessantes Erlebnis für Nase und Gaumen: getrocknete Früchte, Honig, im mund schönes Spiel zwischen Süße und Säure.
Wir ziehen weiter, endgültig auf den Geschmack gekommen. in der Kellerei PERINI schließt sich der Kreis. Wieder so ein geradliniger, konsequenter Verfechter des biodynamischen Weinbaus wie gestern die Weinbauern aus dem Karst. Auch bei Giancarlo Perini ist die Verwendung von Reinzuchthefen tabu. Eine Besonderheit stellt sein Verduzzo del Friuli dar, der erst geerntet wird, wenn der Zuckergehalt hoch genug ist, um einen süßen, aromatischen Wein zu ergeben, der gleichzeitig durch die hohe Luftfeuchtigkeit auch die nötige Säure behält.
Die Liste der von uns bestellten Weine lässt den Schluss zu, dass der Mann mit seiner bodenständigen Philosophie uns zu überzeugen vermochte.
wg
Kellereien:
Vodopivec
Zidarich
Aquila del Torre
Perini