Zwischen Tradition und Moderne

Die Weinrunde unterwegs im Rioja

Bei verschiedenen Gelegenheiten hatten wir in der Weinrunde bereits ältere, teilweise wirklich alte Weine aus dem Rioja verkostet und waren stets beeindruckt, wie langlebig diese Weine aus der Tempranillo-Traube sein können. Doch auch jüngere Exemplare, eher „modern“ ausgebaut, fanden unseren Gefallen. So wollten wir bei einer Reise in dieses vielschichtige, aber auch traditionsreiche spanische Weingebiet mehr darüber erfahren, was einen „richtigen“ Rioja ausmacht.

Der Reise ging natürlich ein Faktencheck voraus, der helfen sollte, eine Wissensbasis zu haben und die Eindrücke und Erfahrungen in einen Zusammenhang einzubetten.

Das Weinbaugebiet Rioja, abgeleitet vom Rio Oja, der die Region durchfließt, teilt sich in drei Subregionen, um den unterschiedlichen klimatischen Bedingungen wie auch der Bodenbeschaffenheit und nicht zuletzt der Meereshöhe Rechnung zu tragen. So ist die Region Alavesa, im Baskenland nördlich des Ebro, die höchstgelegene; westlich der Hauptstadt Logroño liegt die Rioja Alta, während die Rioja Baja östlich von Logroño bis nach Navarra reicht und wesentlich tiefer liegt. Die Böden reichen von Schwemmland- über eisenhaltige Lehm- bis hin zu Kalk-Lehm-Böden.

Über 19.000 Betriebe bewirtschaften insgesamt eine Rebfläche von 63.000 Hektar (im Vergleich dazu: Südtirol hat eine Rebfläche von 5400 ha, die von 5000 Betrieben bewirtschaftet werden).

Um zu verstehen, warum das Weinbaugebiet vor allem seit dem 19. Jahrhundert eine so wichtige Rolle für Spaniens Weinwirtschaft spielt, muss man das Rad der Zeit etwas zurückdrehen. Das Gebiet profitierte enorm vom Wissen der französischen Weinbauern, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts ihre von der Reblaus verwüsteten Weinberge im Bordeaux verließen und hierher auswanderten, um hier, in der vom Schädling (noch) verschonten Gebiet, Wein zu erzeugen. Geblieben ist u. a. die Tradition, die Weine im kleinen (amerikanischen) Eichenfass über längere Zeit reifen zu lassen, um daraus die besten Qualitätsstufen Reserva und Gran Reserva zu produzieren.

Tagebucheintrag vom 22.4.2018

Der Flug von Venedig nach Bilbao im Baskenland liegt hinter uns. Auf dem Weg vom Flughafen zum Hotel fallen die zweisprachigen Schilder auf, die den Weg in Baskisch und in Spanisch weisen. Das Selbstbewusstsein der Basken, so wird uns klar, hat wohl viel mit ihrer Sprache zu tun, handelt es sich doch um eine Sprache, die keinerlei Verwandtschaft zu anderen europäischen Sprachen aufweist und vermutlich deshalb so unbekannt anmutet. Sie wird von insgesamt 750.000 Menschen im Baskenland und der spanisch-französischen Grenzregion gesprochen.

Wir nutzen die Gelegenheit zum Besuch des Guggenheim-Museums. Er gehört zu den Pflichtterminen bei einem Aufenthalt in Bilbao.fasdf

Kulinarisch hat das Baskenland einiges zu bieten. Nach Kyoto gibt es dort die meisten Michelin-Sterne-Köche pro Einwohner weltweit, was möglicherweise auch mit den Sociedades Gastronómicas zu tun hat, Vereinen, in denen Freunde sich regelmäßig zum Kochen und zum anschließenden Essen treffen. Sie sind ausschließlich Männern vorbehalten.

Wir dürfen also auf einige interessante Erlebnisse gespannt sein. Das Abendessen im Los Fueros führt uns in die lokale/regionale baskische Küche ein: solide, schnörkellos, genuin. Das Interieur: ebenfalls nüchtern, unprätentiös. Das Essen: sehr gut.

Tagebucheintrag vom 23.4.2018

Fahrt durch die Sierra Cantabria Richtung Haro. Die Nebel hängen tief, alles ist noch feucht vom nächtlichen Regen. Ein Schild mit der Aufschrift „Region Rioja“ begrüßt uns. Haro, das Ziel unserer ersten Etappe, ist erreicht. Eine Kellerei grenzt an die andere, auch klingende Namen wie Rioja Alta, Bodegas Muga, Viña Tondonia, Lopez Heredia sind darunter.

Bodegas Muga, Haro

Erste Station ist das Weingut Bodegas Muga, ein Familienbetrieb, den es seit 1932 gibt. Der Betrieb hat eine eigene Stilistik entwickelt, die u. a. mit dem konsequenten Einsatz von neuem Eichenholz zu tun hat. Die Besucher werden in einem sehr schönen Verkostungs- und Verkaufsraum begrüßt. Von den verkosteten Weinen besticht besonders die Reserva Selección Especial 2012 mit balsamischen Noten, Cassisfrucht, Leder, Tabak, einer schönen Amarenafrucht im Gaumen, einer eleganten Struktur und Saftigkeit. Nicht umsonst wurde dieser Wein von Falstaff mit 93 Punkten bewertet.

CVNE, Haro

Im Viertel des ehemaligen Bahnhofs haben einige der renommiertesten Kellereien von Haro ihren Sitz, sodass der Weg zur nächsten Kellerei, nämlich CVNE, nicht weit ist. Beim Namen handelt es sich um eine Abkürzung, die für „Compañía Vinícola del Norte del España“, steht, welche seit 1879 existiert. Zu CVNE gehören heute die Güter „CVNE“, „Imperial“ sowie „Viña Real“.

Wir werden im CVNE von einem freundlichen Mitarbeiter empfangen, der uns die Philosophie des Weingutes erklärt. Es gehe um die Wertschätzung alter Struktur, man dürfe sich in der Weinerzeugung aber dem Neuen nicht verschließen. Wenn man weiß, dass das Gebäude von Gustave Eiffel geplant wurde, versteht man, was gemeint ist. Die besondere Dachkonstruktion der Lagerhalle erforderte eine Bauzeit von 19 Jahren (1890 – 1909).asdfdsf

Mit der Reblauskatastrophe in Frankreich wurde auch die Weinbautechnologie importiert. Dies kam dem Ort zugute, da die technische Entwicklung dazu führte, dass Haro fast zeitgleich mit London und Paris elektrifiziert wurde. Ebenso bekam Haro eine Schienenanbindung nach Bordeaux, was den Export von Weinen in größerem Stil ermöglichte.

Heute ist CVNE ein moderner Betrieb, der bei der Herstellung der Weine auf strenge Selektion bereits im Weinberg setzt. In 25.000 Barriques reifen Weine für jährlich 3 Mio. Flaschen. Die Crianzas reifen zwei Jahre, davon ein Jahr im Barrique, die Reservas insgesamt drei Jahre, davon ebenfalls ein Jahr im kleinen Fass. Für die Gran Reservas vergehen fünf Jahre, von denen der Wein zwei Jahre im Barrique reift.

Die Verkostung von Weinen auch der anderen dazugehörigen Weingüter gibt uns eine Idee davon, welches Alterungspotential in den Weinen liegt. Besonders hervorzuheben sind der Gran Reserva 2011 des Gutes Viña Real, der zu 40 % in amerikanischem und zu 60 % in französischem Holz reift: Lakritze, Kaffe, Vanilletöne, im Mund Erdbeere, dunkle Früchte, wunderbare Länge und Eleganz. Der Asua 2015 vom Gut Imperial ist zwar noch sehr jung, lässt aber durch seine Dichte und Tiefe erahnen, welche Eleganz in einigen Jahren zu erwarten ist.asdfasdffdsw

Den Abschluss bildet ein Imperial Gran Reserva 1987. In der Nase besticht der Wein durch Weihnachtsgewürze, Trockenfrüchte, aber auch eine ausgeprägte Brettanomycesnote, welche laut Auskunft von Anna, der Önologin des Hauses, früher durchaus typisch für Rioja-Weine war.

Im Mund präsentiert sich der Wein, rund, ausgeglichen, mit feinen Tanninen, wunderbarer Süße und noch erstaunlicher Frische.

La Rioja Alta, Haro

Die nächste Bodega, welche ebenfalls auf eine lange Tradition in Haro blicken kann, ist La Rioja Alta. Im Jahre 1890 haben sich 5 Familien zur „Sociedad Vinicola de la Rioja Alta“ zusammengeschlossen. Bis heute wird das Gut von den Nachkommen der Familien geführt. Auch hier wird auf modernste Kellertechnik gesetzt. Bereits die Einfahrt wirkt sehr gediegen, auch im Inneren des Hauses wurde nicht gespart. Man scheint nicht viel Zeit zu haben, deshalb ist die Einführung, in der wir die wesentlichen Fakten vom distinguierten Herrn Francisco Rodriguez erfahren, kurz und bündig: das Weingut verfügt über ca. 400 ha, im Weinkeller lagern 40.000 Barriques aus amerikanischer Eiche, jährlich werden 2,5 Mio. Flaschen verkauft. Davon gehen 64 % in den Export, der Rest wird im Inland verkauft. Das Weingut verfügt über Bodegas auch in anderen Weinregionen wie Ribera del Duero, Galicia und Rioja Alavesa. Soviel zu den Fakten.

Von den verkosteten Weinen gefallen uns besonders die Gran Reserva 904 2007: Tabak, Walderdbeere in der Nase, im Mund feingliedrig, saftig, ein klassischer Rioja wie man ihn sich wünscht! Torre de Oña Martelo 2012: In der Nase Weihrauch, Lakritze, Kirsche, im Mund wunderbare Fülle und Dichte, komplexer Wein mit großem Alterungspotential.

Nach diesem grandiosen Auftakt geht die Fahrt weiter durch Hügellandschaften, dicht bestückt mit Reben, Richtung Logroño. Die Stadt ist Durchgangsort für Pilger auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela. Für den Abend haben wir uns einen Ausflug in die hübsche, von vielen jungen und junggebliebenen Menschen bevölkerte Altstadt vorgenommen, um in den Genuss der berühmten Pintxos, der baskischen Tapas, zu kommen. In der Via Laurel reiht sich eine Pintxeria an die andere, für jeden Geschmack ist etwas dabei, so dass niemand von uns hungrig ins Bett gehen mus.

Tagebucheintrag vom 24.4.2018

Der Nebel scheint hier in der Gegend eine fixe Begleiterscheinung zu sein, so auch auf der Fahrt von Logroño nach Elciego. Dort wollen wir eine der bekanntesten Kellereien in diesem Gebiet besuchen.

Marques de Riscal, Elciego

Francesca, eine freundliche junge Dame aus Trient, empfängt uns und erzählt ambitioniert die Geschichte der Bodega, welche seit der Gründung im Jahr 1858 durch Guillermo Hurtado de Amézaga auf eine traditionsreiche Geschichte zurückblicken kann. Seit im Jahre 2006 das 80 Mio. Euro teure Hotel im Areal des Weingutes eröffnet wurde, hat Elciego einen ganz besonderen Blickfang. Das Gebäude, geplant vom Stararchitekten Frank Gehry, bricht mit Tradition und Stil: geschwungene Linien, die im Kontrast zu den Formen der Gebäude der Umgebung stehen. Gehry war es wichtig, Baustoffe aus der Gegend zu verwenden, für die Verkleidung kamen moderne Materialien wie Titan und Edelstahl zum Einsatz. Mit der Farbwahl der Materialien wollte er einen direkten Bezug zum Weingut herstellen: Rosa wie roter Wein, Gold wie das Netz um die Flaschen von Marqués de Riscal Reserva und Silber wie die Flaschenkapseln.4gfdsg

Um die Herstellung der Weine kümmern sich 110 Angestellte. Die Trauben für die Weine wachsen auf 1500 Hektar Land zwischen Elciego und angrenzenden Dörfern wie Leza, Laguardia und Villabuena. Dabei sind 500 ha im Besitz des Weingutes, der Rest gehört den Bauern, welche die hochwertigen Trauben liefern. Die Böden auf den verschiedenen Terrassenhängen über dem Fluss Ebro bestehen aus kalkhaltigem Lehm. Diese Gegend des Weinbaugebiets Rioja Alavesa zeichnet sich durch Weine aus, die hervorragend altern, was sie dem hohen Säuregehalt und der guten Tanninstruktur der Traubenmoste verdanken.

Der Großteil der hier produzierten Weine besteht aus Tempranillo, auch Cabernet Sauvignon wird in geringen Mengen verwendet, was allerdings nur durch eine Sondergenehmigung möglich ist, da diese Rebsorte von den Bestimmungen des Qualitätssystems einer „Denominación de Origen Calificada“ (D.O.Ca) ausgenommen ist. Die produzierte Menge beläuft sich auf 5 Mio. Flaschen pro Jahr, dabei ausschließlich in Reserva- und Gran-Reserva-Qualität.

Die sehr aufschlussreiche und höchst interessante Führung schließen wir mit einer ausgiebigen Verkostung ab. Von den Weißweinen gefällt uns der Limousin 2016 aus 100 % Verdejo (wird in Rueda produziert), der Baron de Chirel 2015, ebenfalls aus Verdejo, mit dezent buttrigen Noten, gelben Früchten, Veilchen, im Mund ausgeglichen und lang – ein vielschichtiger Wein.5fdasfesr

Marques de Riscal 150 aniversario 2010 (88 % Tempranillo, 12 % verschiedene andere Rebsorten): in der Nase rote Früchte, Tabak, schwarzer Pfeffer, mundfüllend, tief und komplex.

Zum Abschluss genießen wir in der Bar des Hotels noch einen Marques de Riscal Gran Reserva 2007, den wir als wunderschönen, klassischen Rioja bezeichnen würden: kleine rote Beeren in der Nase, balsamische Noten, Würze, im Mund elegant und ausgeglichen.

Bodega Luis Cañas, Villabuena

Wir fahren weiter ins ca. 7 km entfernte Villabuena, zur Bodega Luis Cañas. Auch hier werden wir wieder freundlich aufgenommen. Carmen, eine Mitarbeiterin des Betriebes, begrüßt uns stellvertretend für den Besitzer, Juan Luis Cañas. Zum Weingut gehören drei unterschiedliche Bodegas, wie sie uns zur Einführung erklärt: die Bodega hier, Amaren in 3 km Entfernung und Dominio de Cair in Ribera del Duero. Hier arbeiten drei Generationen unter einem Dach. Dazu erzählt Carmen eine kleine Anekdote: Gründer Luis, der inzwischen über 80 Jahre alt ist, komme jeden Tag um 13 Uhr auf ein Gläschen Weißwein vorbei. Ab und zu helfe er noch im Betrieb mit. Wir haben das Glück, dass wir ihn kurz sehen und ihn begrüßen dürfen. Er scheint aber inzwischen gerne seine Ruhe zu haben, schnell zieht er sich wieder zurück.

Hier, im Herzen der Rioja Alavesa, beeinflussen die Berge der Sierra Cantabria im Norden das Klima. Sie schützen vor Wind und Kälte, im Südwesten bildet die Sierra della Demanda einen Schutzwall gegen zuviel Hitze und Regen. Das Gebiet ist bestückt mit vielen alten Reben, im Schnitt um die 60 Jahre. Die Bodega bewirtschaftet insgesamt 350 ha, die im Umkreis von 15 km liegen. Der Besitzer hat sich einer möglichst naturnahen Arbeitsweise verschrieben, es werden keine Reinzuchthefen verwendet, sondern man setzt auf Spontanvergärung. Auch kommt nur biologischer Dünger zum Einsatz. Auf 16 ha Rebfläche wird inzwischen konsequent biologisch gearbeitet.

6gfsdgfdJuan Luis Cañas, der die Führung des Betriebes im Jahre 1989 vom Vater Luis übernommen hat, bezeichnet sich selbst als Modernisten. Er bezieht sich dabei wohl auf die Entscheidung, zu 70 % auf französische Eiche beim Fassausbau zu setzen und lediglich zu 30 % auf den Einsatz von amerikanischem Holz. Im modernen Barriquekeller lagern 4300 Fässer, die nach 5 bis 6 Jahren ausgetauscht werden. Im Jahre 1995 kam das Weingut Amaren dazu, was in Baskisch Mutter heißt. Es ist eine Hommage an die Mutter Angeles, an ihren unermüdlichen Fleiß und ihren Einsatz.

Wir kommen nach der Führung durch Weinberg und Betrieb in den Genuss einer bestens organisierten „cata en el Mirador de Luis Cañas“, also einer Verkostung am Aussichtspunkt von Luis Cañas. Tatsächlich liegt der Kubus, in dem die Degustationen stattfinden, am oberen Rand des Weinbergs, man hat einen wunderbaren Blick auf die Landschaft.

Inzwischen ist auch der Önologe Pedro zu uns gestoßen, ein freundlicher kleiner Mann mit wachen Augen, der sich anfangs dezent im Hintergrund hält, sich aber zunehmend in die lebhafte Diskussion einbringt.

7gdfsgrdtWir starten mit dem Luis Cañas Blanco Fermentado Barrica 2017, einem Wein aus Viura und Malvasia von alten Reben, vier Monate im Barrique gelagert, der sich mit einer leicht buttrigen Note, voll und voluminös präsentiert.

Luis Cañas Reserva 2012: Dieser Wein lagert 18 Monate in gebrauchten Eichenfässern. In der Nase Noten nach Kaffee, Kakao, roten Früchten, im Mund schön integriertes Tannin, weich und geschmeidig – ein Wein mit einem sehr guten Preis-Leistungsverhältnis.

Luis Cañas Reserva Seleccion de la Familia 2012: Durch die Beigabe von Cabernet Sauvignon ein Wein moderner Machart, der im Bouquet durch Noten von Schokolade und dunklen Früchten besticht, am Gaumen zeigt er sich sehr dicht und lang.

Weiter geht es mit dem Angeles de Amaren 2012 aus 85 % Tempranillo und 15 % Graciano. Die Rebstöcke sind mindestens 40 Jahre alt. In der Nase präsentiert er sich vielschichtig: Jod, Zimtrinde, Kaffee, Schokolade, am Gaumen saftig, gleichzeitig mit einer schönen Fülle und einer wunderbaren Länge.

Den fulminanten Abschluss der Verkostung bildet der Hiru 3 Racimos 2010. Der Name steht für die Zahl 3 auf Baskisch. Damit soll ausgedrückt werden, dass jeder der Tempranillo- und Graciano-Rebstöcke nicht mehr als drei Trauben trägt und damit bereits im Weinberg eine mengenmäßige Selektion stattfindet. Die Rebstöcke sind über 60 Jahre alt. In der Nase Noten nach getrockneten Feigen, Lakritze, Tabak, Zimt, balsamischen Noten, im Trunk Karamellnoten, Kirsche, Himbeere. Der Wein füllt den Mund perfekt aus, ist sehr sehr dicht mit feinen, präsenten Tanninen.

Wir machen uns beschwingt und durch schöne Erfahrungen bereichert auf nach Logroño, wo wir im Restaurant En Ascuas Asador einen Tisch reserviert haben. Auf der Karte stehen typische Gerichte wie: gefüllter Lammdarm, Blutwurst oder diverse Innereien. Es gibt aber auch ein solides T-Bone-Steak und andere, etwas schmeichelhaftere Gerichte. Bei der Auswahl ist uns der Chef des Hauses behilflich, so dass jeder von uns auf seine Kosten kommt. Die Weinkarte ist umfangreich, mit vielen Weinen aus der Umgebung.

Tagebucheintrag vom 25.4.2018

Auf der Fahrt zurück nach Haro machen wir noch Halt im mittelalterlichen Städtchen Laguardia mit der sehenswerten gotischen Pfarrkirche Santa María de los Reyes. Auch hier sind die starken Einflüsse des Wein- und Pilgertourismus nicht zu übersehen.

Bodegas Remelluri, Labastida

Das Weingut liegt am Hang auf knapp 700 m Meereshöhe und ist über eine Schotterstraße erreichbar. Man hat einen atemberaubenden Blick auf die Ebro-Senke, im Südosten erblickt man das mittelalterliche Städtchen San Vincente. Geschäftiges Treiben ist hinter den alten Mauern der Lagerhalle zu hören. Oscar, im Weingut zuständig für die Vermarktung der Weine, begrüßt uns herzlich. Er spricht gut Italienisch, da er für einige Zeit im Piemont tätig war. Er führt uns in die Geschichte des Betriebes ein und versucht, Bezüge zur aktuellen Situation im Rioja herzustellen. So erfahren wir, dass das Weingut im Mittelalter als Zulieferbetrieb („Granja“) für ein in den Bergen gelegenes Kloster diente. Vom Kloster ist inzwischen nichts übrig geblieben, dafür strahlt das Weingut eine besondere Energie aus. Den jetzigen Besitzern Telmo Rodríguez und seiner Schwester Amalia gehe es darum, das Alte in Würde zu erhalten, so Oscar. 1967 erwarben ihre Eltern das Anwesen und das historische Gebäude der Granja Nuestra Señora de Remelluri, eines der ältesten Weingüter in Spanien. Die ganze Gegend rund um die Finca ist geschichtsträchtig. So konnten sowohl prähistorische, romanische, gotische, maurische sowie mittelalterliche Besiedlung bei Ausgrabungen nachgewiesen werden.

8gfsadfasrDer Betrieb hat sich der biodynamischen Weinwirtschaft verschrieben. Die Philosophie der Geschwister ist, dass der Wein die Harmonie zwischen Landschaft, Reben und Trauben widerspiegeln soll. Daher sei es folgerichtig, dass sich auch jeder Jahrgang in der Flasche widerspiegelt, es sollen keine „gemachten“ Weine herauskommen. Die Produktion beläuft sich auf 250 – 300.000 Flaschen pro Jahr.

Viele der Gutsbesitzer in der Umgebung haben in den letzten 30, 40 Jahren ihre Güter vernachlässigt, so hat Remelluri Parzellen aufgekauft und verfügt inzwischen über insgesamt 200 ha Produktionsfläche, die sich auf 250 Parzellen in der Umgebung verteilt. Früher gab es in Labastida über 100 Kleinproduzenten, inzwischen ist eine Handvoll übriggeblieben.

Wir fahren mit Oscar im Geländewagen weitere 100 Höhenmeter den Berg hinauf, bis zu den höchsten Parzellen. Hier bläst ein kühler Nordwind von der Sierra Cantabria herunter, die Trauben reifen sehr spät aus und werden daher erst im November geerntet. Dementsprechend hoch ist die Säure der Trauben, ein ideales Gerüst für saftige Weine. Man setzt auf Vielfalt auch bei den Trauben, das Terroir spielt eine große Rolle.

Die Wertschätzung der alten Struktur und der alten Materialien zeigt sich auch im Keller, der mit altem Holz und Steinen aus der Umgebung gebaut wurde. Der Gutshof selbst ist ebenfalls ein kleines Juwel. Hier wurde mit viel Liebe zum Detail gearbeitet, restauriert und dekoriert.9gdfsgdg

Wir haben das Glück, die Weinverkostung im wunderschönen Garten machen zu können, wo uns Amalia willkommen heißt. Von ihr erfahren wir, dass sie studierte Anthropologin und Biologin ist und seit 2010 das Gut mit ihrem Bruder führt. 2011 gab es den ersten Wein mit ihrer Handschrift. Es gibt zwei Weine unter dem Namen Lindes de Remelluri. Der eine Wein entsteht aus den Trauben der Winzer von Labastida, der andere aus den Trauben von acht Winzern rund um die Ortschaft von San Vicente. Der San Vicente kommt aus Parzellen nahe dem Ebro und ist der üppigere Wein, während der Labastida kühler wirkt, da die Böden ärmer sind und die Ernte später erfolgt.

Lindes de Remelluri Labastida 2014: In der Nase rote Früchte, im Mund frisch und trinkig. Remelluri Reserva 2011: Hagebutte, Süßholz, Tabak, Zeder und Gewürznoten in der Nase, am Gaumen feine, konzentrierte Frucht, perfekt eingebunden in schöne Säure, sehr lang.

Remelluri Gran Reserva 2010: Dunkle Beeren, balsamische Noten in der Nase, im Mund geschmeidig, dicht, mit einem langen Finale.

Beeindruckt von Amalias Gastfreundschaft und Überzeugungskraft, aber auch von der Ausstrahlung des Ortes, machen wir uns auf die Rückreise nach Bilbao.

Resumee unserer Reise:

Die Weinstile in den unterschiedlichen Zonen der Rioja sind immens vielfältig und reichen von opulenten „Krachern“ bis hin zu über Jahre gereiften Weinen, die durch Filigranität und Eleganz bestechen. Es gibt auch hier kein „Richtig“ und „Falsch“. Wir haben aber verstanden, womit die Langlebigkeit mancher Rioja-Weine zu tun hat. Die Tradition der langen Lagerung im amerikanischen Eichenfass ermöglicht es, dass die Weine Jahrzehnte überdauern, ohne an Ausdruck einzubüßen. Es ist wohl eher eine Frage des persönlichen Geschmacks und der Vorlieben. Und so findet auch hier jeder von uns seinen bevorzugten Wein(stil). Zweifellos konnten wir durch die Reise unseren (nicht nur önologischen) Horizont wieder einmal erweitern.

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