Im Land der Quintas und Rebterrassen
Die Weinrunde in Portugal
(…) Aus Stein wurde Erde,
aus der heißen Sonne der süße Wein,
der einen Beigeschmack nach Glut
und Himbeere hat. (…)
Aquilino Ribeiro
Die Jubiläumsreise unserer Weinrunde zum 10jährigen Bestehen sollte uns eine Region näher bringen, die vor allem für seinen Portwein, weniger aber für seine ebenfalls sehr guten trockenen Rotweine bekannt ist.
Tagebucheintrag vom 26.4.07
Der Fluss schlängelt sich behäbig vorwärts, ohne Eile. Links und rechts seines Ufers erheben sich bis zu 500 m hohe Hügel, auf denen zum Teil äußerst steile Schieferterrassen angelegt sind. Darauf gedeihen in ein oder zwei Reihen die Reben für einen wohl weltbekannten Wein. Immer wieder mitten im Hang ein riesiges Schild mit dem Namen des Weingutes, zu dem die Lage gehört.
Wir befinden uns im ältesten staatlich geschützten Weinbaugebiet der Welt, nämlich im oberen Douro-Tal, das etwa 100 km von der Atlantikküste entfernt beginnt und sich fast bis zur spanischen Grenze erstreckt.
Bereits im Jahr 1756 ließ der Marques de Pombal, damaliger Premierminister, jenes Gebiet des Douro-Tals als Produktionszone für den Portwein eingrenzen, wo Schieferböden vorherrschten. Zudem wurden die Weinberge nach Klima, Boden, Hangneigung, Meereshöhe und Ertragsmenge eingeteilt. Damit waren Herkunft und Qualität der Trauben für den Portwein wieder garantiert, nachdem durch den sprunghaften Anstieg der Nachfrage auch auswärtige, minderwertige Weine aus anderen Gebieten für die Produktion verwendet wurden und in der Folge der Preis rapide gesunken war.
Erstes Ziel unserer Verkostungsexpedition ist die Quinta von einem der wohl bekanntesten Portweinerzeuger, nämlich Niepoort in Valle de Mendiz. Der Name steht seit fünf Generationen für erstklassigen Port. Seit kurzem hat Dirk van der Niepoort auch Ambitionen, mit hochklassigen (und hochpreisigen!) Tafelweinen den Wein-Olymp zu erklimmen.
Doch bevor wir die edlen Kreszenzen verkosten können, gibt es von einer Mitarbeiterin eine Einführung in die Portweinkunde. So lernen wir, dass die Gärung des Weines bei 7 %vol. durch Zugabe von über 70%igem Alkohol gestoppt wird und dass man bei Portweintypen zwei Hauptgruppen unterscheidet: nämlich flaschengereifter oder fassgereifter Portwein.
Zu den flaschengereiften gehören der Ruby und der Vintage Port.
Der einfache Ruby ist meist ein dreijähriger, aus verschiedenen Jahrgängen verschnittener Wein. Vielfach findet sich unter den Rubys Massenware. Es gibt aber auch durchaus ansprechende Rubys, die als Ruby Reserve auf dem Markt sind.
Der Vintage wird aus einem einzigen, meist sehr guten Jahrgang erzeugt. Nach einer zwei- bis dreijährigen Fasslagerung wird er ungefiltert in die Flasche gefüllt, wo er bis zu 50 Jahre weiterreifen kann.
Sowohl Ruby wie auch Vintage Ports bleiben für zwei bis drei Jahre im großen Fass, das bis zu 50.000 l fassen kann.
Zu den fassgereiften Ports gehören der Tawny, der LBV (Late Bottled Vintage) und der Colheita. Beim Tawny entscheidet die Dauer der Fasslagerung über die Qualität. So gibt es hervorragende Tawnys, die mehr als 40 Jahre im Fass lagern. Kurz vor dem Verkauf werden sie in Flaschen abgefüllt.
Der LBV ist ein Jahrgangsport, der erst nach vier bis sechs Jahren Fasslagerung in Flaschen abgefüllt wird. Meist wird er gefiltert. Ungefiltert abgefüllte LBV können auch noch in der Flasche weiterreifen.
„Colheita“ heißt auf portugiesisch „Weinlese“. Es ist ein Jahrgangsport, der mindestens sieben Jahre im Fass reift.
Tawnies, Colheitas und LBV’s reifen im kleinen Fass, das max. 550 l fasst.
Im Inneren des Weinkellers (eigentlich gleicht er eher einem überdimensionierten Stadel) machen uns die großen, rechtechteckigen Granittröge neugierig. Auf unsere Frage, wozu die gut seien, wird uns erklärt, dass in den „Lagares“ genannten Trögen die Trauben mit Füßen gestampft werden. Dies habe sich als die beste Methode erwiesen, da so am besten Tannine und Farbstoffe aus den Schalen extrahiert werden können, ohne die Kerne zu quetschen und damit zuviel Gerbstoff freizusetzen.
Nach diesem durchaus lehrreichen Einführungskurs ins 1×1 des Portweins bringt uns die Mitarbeiterin zur Quinta do Napoles, zum Weingut von Niepoort, in dem die trockenen Weine erzeugt werden.
Wir finden neben dem alten Wirtschaftsgebäude eine große Baustelle mit zwei Kränen vor, untrügliches Zeichen dafür, dass hier bei Niepoort zunehmend auf Tafelweine gesetzt wird, die bereits jetzt ca. 80 % der Gesamtproduktion ausmachen.
Nach einer ausführlichen Verkostung von diversen Fassproben des Jahrgangs 2006 mit Luis Seabra, dem Önologen des Betriebes, kommen wir zum Schluss, dass einige der Weine besondere Beachtung verdienen. Hervorzuheben ist z. B. der Redoma Reserve aus 50 Jahre alten Reben. Der Wein besitzt Komplexität und eine schöne Mineralität. Interessant auch die Probe eines Weins aus 100 Jahre alten Reben, sie erinnert an einen französischen Syrah.
Wie uns Luis erklärt, muss der Säuregrad der Weine durch Zugabe von Weinsteinsäure korrigiert werden, da die Weine sonst zu säurearm wären. Die Temperaturen können im Sommer nämlich bis zu 50 Grad hochklettern.
Krönender Abschluss des Besuchs ist ein Mittagessen mit einheimischen Spezialitäten, begleitet von Weinen der Quinta. Erwähnenswert sind der Charme Jahrgang 2004, ein gleichwohl eleganter wie teurer Wein und der Batuta Jahrgang 2004.
Unser Stützpunkt für die nächsten zwei Tage ist das Weingut Quinta della Rosa in der Nähe von Pinhao, wunderbar über dem Douro gelegen. Leider wirken die Zimmer etwas miefig, so dass unsere Freude trotz der schönen Lage leicht getrübt ist. Die von einer Mitarbeiterin geführte Verkostung der hauseigenen Weine im 0-8-15-Stil bestätigt den Eindruck, dass hier Qualität nicht großgeschrieben wird, „anzi“, selten haben wir eine so mäßige, beinahe lieblose Präsentation von Weinen miterlebt, auch wenn die Weine selbst zum Teil durchaus ansprechend waren.
Tagebucheintrag vom 27.4.07
Heute steht die Quinta do Passadouro auf dem Programm. Der Name wird noch immer mit Niepoort in Verbindung gebracht, obwohl beide Erzeuger seit 2004 eigenständig arbeiten. Geführt wird das Weingut von einem Holländer, der früher in Rotterdam als Weinhändler arbeitete und nun seit einigen Jahren mit seiner Familie in Portugal lebt. Die Liebe zum Portwein hätte ihn hierher getrieben, meint er. Im Weinberg erklärt er uns einiges über die Selektion, die betrieben wird. Traditionell werden die Weinberge hier im Dourotal gemischt bepflanzt, das heißt, der Portwein wird nicht nur aus einer Rebsorte gekeltert (er kann aus bis zu 100 verschiedenen Traubensorten bestehen!). Die wichtigsten sind aber Touriga Nacional, Touriga Francesa (Franca), Tinta Barroca, Tinta Roriz (entspricht dem spanischen Tempranillo). Wieder etwas schlauer geworden.
Zurück in seinem wohnlichen Haus, in dem es auch Übernachtungsmöglichkeiten gibt, gibt uns … eine Kostprobe seiner Weine. Auch Quinta do Passadouro produziert zum Großteil trockene Weine. So wurden vom 2005er Jahrgang 50.000 Flaschen der einfachen Linie abgefüllt, vom Passadouro, der gehobenen Linie 40.000 und von der Reserva gerade 5000 Flaschen.
Vom Portwein werden lediglich 10.000 Flaschen abgefüllt, insgesamt aber an die 40.000 l produziert. Das heißt, diese werden an andere Erzeuger verkauft. Eine durchaus gängige Praxis.
Hervorzuheben sind der Passadouro 2004 und der Passadouro Reserva 2004, der zu 100 % aus alten Reben erzeugt wird und 18 Monate im neuen Holz reift. Bei den Portweinen gefiel uns besonders der 95er LBV durch seine Ausgewogenheit, sein Aroma nach Dörrobst und Nüssen.
Wenn die Weinrunde in Fahrt ist (durchaus in einem doppelten Sinne zu verstehen…), dann heißt das volles Programm. Unser Präsident überlässt nichts dem Zufall. So setzen wir unsere Tour fort und steuern den kleinen Ort Muxagata an, der ca. 100 km und viele abenteuerliche Kurven weiter Richtung Spanische Grenze liegt. Unser Ziel ist die Quinta de Ervamoira von Ramos Pinto. Das Weingut liegt an der Grenze des Douro-Gebietes. Da die Straße vom Ort zum Weingut mit unseren Autos nicht befahrbar ist, werden wir von einer Mitarbeiterin im Land Rover abgeholt. Nach 20minütiger Fahrt bietet sich von einer kleinen Anhöhe aus ein wunderbarer Blick auf die 200 Hektar große Fläche. Die Quinta ist eingebettet in eine sanfte Hügellandschaft, am Talboden bahnt sich ein kleiner Fluss seinen Weg durch die Auen. Weit und breit ist die Quinta das einzige Haus.
Wie wir bei einer Führung durch das zu einem kleinen Archäologiemuseum umgestaltete Haus erfahren, hatten sich schon die Römer hier niedergelassen. Zahlreiche Funde aus der Umgebung dokumentieren die bewegte Geschichte dieses Ortes. Die anschließende Verkostung ist Standardprogramm, bei der auch der unvermeidliche White Port kredenzt wird. Über den (Un-)Wert dieser meist in Massenwaren-Qualität produzierten Besonderheit wurde in der Weinrunde angeregt und durchaus kontrovers diskutiert. Um doch „etwas Gscheites“ verkosten zu können, leisten wir uns eine Flasche 30jährigen Port, die sein Geld wert ist.
Tagebucheintrag vom 28.4.07
Einen Tag früher als geplant beschließen wir, den Weg nach Porto anzutreten. Da wir die Stadt erst am frühen Abend erreichen, schaffen wir es nicht mehr, die geplante Führung bei Taylor’s zu machen, einem der bekanntesten „Shipper“ in Porto. Hier wurden die von den Handelshäusern erworbenen Weine verschnitten und verschifft. Die Führung durch die Lagerhalle von Vasconcellos, die wir ersatzweise mitmachen, ist auf Massentourismus zugeschnitten und verdient kaum eine Erwähnung.
Umso mehr Anerkennung erntet Christophe, der junge dynamische Mitarbeiter der Vinothek „Vinologia“ in der Altstadt. Manfred war es gelungen, einen Termin für eine Verkostung mit ihm zu vereinbaren. Obwohl Französisch-Schweizer, spricht er perfekt deutsch, und so können wir seiner Einführung gut folgen. Wir erfahren, dass im Douro-Gebiet auf 40.000 Hektar Wein angebaut wird und dass diese Weinregion eine große Zukunft hat. Inzwischen gibt es knapp 50 kleinere Winzer, die respektable Ergebnisse bei der Erzeugung von Port vorweisen können. Seit dem Beitritt Portugals zur EU im Jahre 1986 kann nämlich jeder Erzeuger seinen Portwein auch selbst vermarkten, das Handelsmonopol der großen Handelshäuser galt nicht mehr.
Schließlich können wir in 2 Etappen an die 18 Portweine verkosten, vom preisgünstigen, aber guten Ruby über einen Colheita von 1970 bis zum über 40 Jahre alten Tawny, für den man 180 Euro hinblättern muss. Spätestens nach dieser Menge an Port, den wir intus haben, wissen wir um den Gehalt dieses Weins…
Tagebucheintrag vom 29.4.07
Die Reise führt uns schließlich weiter nach Lissabon, wo wir noch zwei entspannte Tage verbringen, die wir für kulturelle und kulinarische Exkursionen nutzen. Die musikalischen Darbietungen einiger Mitglieder der Weinrunde in einem Pub finden allgemeinen Zuspruch. Es dürfte aber lediglich ein Probelauf gewesen sein für einen großen Auftritt Ende August…
wg