Entdeckungsreise in die Heimat des Primitivo

Die Weinrunde in Apulien

Tagebucheintrag vom 2.5.2005

Wir haben eine weite Reise vor uns. Diesmal haben wir uns Apulien als Ziel ausgesucht, die bedeutendste Weinregion des Südens. Bei einer Größenordnung von 17 % der Weinproduktion Italiens sollten sich doch auch einige bemerkenswerte Tropfen finden lassen. Wir starten sehr früh am Morgen, um die über 1000 km zügig hinter uns zu bringen, was dank der bemerkenswerten Ausdauer unserer Chauffeure auch problemlos gelingt.

apulien_02So erreichen wir bereits gegen Mittag Porto Cesareo am Ionischen Meer. Nach einer Stärkung im „Granchio“, einem netten Restaurant direkt am Meer, wartet bereits der erste Kellereibesuch auf uns. Wir haben uns die Azienda Vinicola Milleuna in Lizzano ausgesucht. Der Besitzer, Dario Cavallo, empfängt uns freundlich. Bei seiner Einführung erzählt er uns, dass wir uns hier im Herzen der Anbauzone des Primitivo di Manduria befinden. Die Rebbestände, hauptsächlich Primitivo und Negroamaro, sind bis zu 70 Jahre alt. Der etwas irreführende Name Primitivo rührt daher, dass die Trauben als erste gewimmt werden. Die Assoziation, die sich unsereinem bei diesem Namen aufdrängt, ist also schlicht falsch. Seine Weine, so Cavallo, müssten ganz ohne künstliche Bewässerung auskommen, das erklärt auch den niedrigen Ertrag, der sich je nach Jahrgang zwischen 12 und 18 Zentner/ha bewegt. Der Winzer hat einen durchaus pragmatischen Zugang zu seinen Weinen: Der beste Wein sei immer noch der, der verkauft wird. Wir haben die Gelegenheit, einige sehr interessante Weine zu verkosten, darunter den Primitivo del Salento „Bacmione“ 2001, den Primitivo del Salento „Tretarante“ 2003, der ein wunderbares Aroma nach getrockneten Früchten freigibt und dem Gaumen mit schöner Restsüße schmeichelt sowie den Negroamaro „Capitolo Laureto“ 2002, der durch ein Bouquet nach schwarzen Früchten und trotz des hohen Alkoholgehaltes (16 %vol.!) durch seine Eleganz besticht. Complimenti, signor Cavallo!

apulien_04Tagebucheintrag vom 3.5.2005

Der heutige Tag dürfte eine Tour de force werden, nicht weniger als vier Kellereien stehen auf unserem Verkostungsprogramm. Wir fahren geografisch gesehen in den Absatz des italienischen Stiefels, nach San Donaci. Dort befindet sich die Azienda Vitivinicola Francesco Candido. Hier wurde ordentlich „aufgerüstet“, das neue Gebäude aus Sandstein wirkt sehr beeindruckend. Ob es die Weine auch sein werden? Wir lassen uns überraschen. Alessandro Candido, Enkel des Gründers Francesco, empfängt uns. Er führt die Azienda gemeinsam mit seinem Bruder Giacomo. Wir haben es hier mit einem relativ großen Betrieb zu tun: Jahresproduktion ca. 2 Mio Flaschen, 160 ha sind bestückt mit Chardonnay, Sauvignon, Malvasia, Negroamaro, Montepulciano, Primitivo, Cabernet Sauvignon, Merlot und Aleatico. Wir bekommen eine Einführung in die Geschichte des Weins, in der uns Alessandro Candido erklärt, dass der Wein vom Kaukasus über Afghanistan nach Griechenland gekommen sei. Die Griechen hätten den Wein dann nach Italien gebracht. Im Gespräch weist er mehrfach darauf hin, wie wichtig für ihn die Arbeit im Weinberg sei, er meint, „da una schifezza non si fa un buon vino.“ Wir können ihm nur beipflichten….Bei der anschließenden Verkostung, gefällt uns der „Capello di Prete“ 1999, ein Negroamaro, der vor allem ein sehr gutes Preis-Leistung-Verhältnis aufweist (ca. 5 Euro), der Duca d’Aragona 1998 (Negroamaro+Montepulciano) sowie der Aleatico 2000, ein ansprechender Dessertwein.

apulien_05Auch der nächste Produzent, dem wir einen Besuch abstatten, ist ein „größerer Fisch“.Die Azienda Agricola Taurino Cosimo verfügt über 180 ha Fläche und produziert 1,5 Mio. Flaschen. Leider nimmt man sich kaum Zeit für uns, wir werden mit einer 0/8/15-Einführung abgespeist, auf die wir auch verzichten hätten können. So sei nur kurz der interessanteste der verkosteten Weine erwähnt: der „Patriglione“ 1997, ein reinsortiger Negroamaro, ist zweifelsohne ein großer Wein.

Es kommt noch größer, was nicht heißen will besser: Conti Zecca. Die Azienda besteht aus 4 Weingütern mit insgesamt 320 ha Fläche, aus denen der Betrieb die Trauben gewinnt. Im Keller lagern über 1000 Barriques. Der Betrieb gehört den Geschwistern Zecca, allesamt Fürsten. Sonst lässt sich nicht viel berichten. Die Weine haben uns kurz gesagt nicht geschmeckt.

Zum Glück wartet der Tag noch mit einer wohltuenden Überraschung auf: Vinicola Savese/Fratelli Picchierri in Sava. Bereits die Suche nach dem Betrieb gestaltet sich unterhaltsam. Der Angabe des Navigationsgerätes folgend, landen wir in einem Innenhof, der eher nicht nach einem Weinbetrieb ausschaut, vielleicht nach dem Innenhof einer Autowerkstatt. Wir sind doch richtig. Freundlich werden wir in Empfang genommen. Wie wir erfahren, handelt es sich um einen Familienbetrieb, der über eine Fläche von 15 ha verfügt. Die Familie produziert ca. 200.000 Flaschen im Jahr. Der Betrieb geht zurück auf Gaetano Picchierri, der nach dem Krieg mit der Produktion von Wein, vornehmlich Primitivo, begann. Bald übernahmen seine Söhne den Betrieb und führten die Arbeit in seinem Sinne weiter. Inzwischen hat sich der Betrieb mit der Erzeugung von traditionellen Weinen einen Namen gemacht. Der Keller mutet etwas antiquiert an, wir sind etwas skeptisch, ob bei dieser Kellertechnik auch wirklich guter Wein produziert werden kann. Wir werden eines Besseren belehrt: Sind die Weißen tatsächlich nicht besonders ansprechend, überzeugen uns die verkosteten Rotweine umso mehr. Angefangen vom „Vermiglio“ 2003, einem einfachen, trinkigen Primitivo zu einem sensationellen Preis von ca. 3 Euro über den „Terrarossa“ 2002, einem unprätentiösen Tropfen, der sich ebenfalls sehr angenehm trinkt. Die „Tradizione del Nonno“ 2002 ist ein Wein, der entfernt an Amarone erinnert und schöne Noten nach getrockneten Feigen und Lakritze freigibt. Sensationell auch hier der Preis: 7 Euro. Die große Überraschung sind die Süßweine, z. B. der „Mamma Teresa“ 2000: kraftvoll, schöne Länge. Oder der „Passione“ 1999: harmonisch, ansprechend, mit einem Aroma nach Trockenfrüchten. Zum Schluss kommen wir noch in den Genuss eines Primitivo aus dem fernen Jahre 1979: ein besonderes Erlebnis!apulien_06

Nachtrag: Wie wir erfahren konnten, wurde die Kellerei inzwischen umgebaut. Wir hoffen, dass die Picchierris ihrer Tradition treu bleiben, nämlich traditionelle, sehr ansprechende, besondere Weine zu machen!

 

 

Tagebucheintrag vom 4.5.2005

apulien_10Wir fahren nach Gravina in Puglia, um dort zu Mittag zu Essen. Matthäus hat die „Osteria Cucco“ ausgesucht. Bereits die Antipasti sind dermaßen verlockend, dass wir schwer an uns halten können. Die burrata verdient eine extra Erwähnung – ein Königreich für solch eine burrata!! Wir haben das Lokal gegen 4 Uhr nachmittags verlassen…

Essen:
La Vinoteca, Mesagne
Osteria Cucco, Gravina in Puglia
Il gambero, Porto Cesareo

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