Symbiose von Tradition und Moderne
Die Weinrunde in Barcelona
Freitag, 21.11. bis Sonntag, 23.11.1997
Die Hälfte der zwölfköpfigen Weinrunde aus Bruneck zog es im Herbst nach Barcelona, um dort den kulinarischen und lukullischen Genüssen Spaniens zu frönen. Eine wichtige Erkenntnis aus dieser Reise: Spaniens Weinen haben das beste Preis-Leistungsverhältnis Europas.
Es muß nicht immer das Piemont oder die Toskana sein. Über die Grenze blicken und offen sein für Neues, das erweitert den Horizont und die Vergleichsmöglichkeiten. Und warum dann nicht auch mal zum viertgrößten Weinproduzenten der Welt schauen und seine Spezialitäten verkosten?
Spanische Weine sind in Südtirol meist unter den Namen Rioja bekannt. Man findet Sie nur vereinzelt auf Getränkekarten der Restaurants oder in den Regalen der Weinhändler. Der Bekanntheitsgrad und die Lust auf Spanien nimmt aber zu, denn die Globalisierung hat auch beim Essen und Trinken nicht halt gemacht.
Spanien kennt über 45 Weinregionen mit Ursprungsbezeichnung (Denominación de Origen). Die bekanntesten sind Rioja, Navarra, Ribera de Duero, Penedes, Priorato und die Dank der Engländer berühmt gewordene Jerez-Gegend (Sherry).
Der Schwerpunkt in der Spanischen Weinproduktion liegt beim Rotwein, wobei auch Weißweine, Spätlesen aber auch Schaumweine (espumadosos oder Cava genannt) in beachtlicher Qualität und Menge (ca. ½ Mio. hl) produziert werden. Die Schaumweingegend befindet sich im Penedés im Hinterland von Barcelona. Die international bekanntesten Produzenten sind Freixenet und Codorniu. Sie alle produzieren ihre Schaumweine nach den aufwendigen französischen Verfahren, der „methode champenoise“. Diese erreichen aber nur selten die Qualität ihrer französischen Brüder. Sie sind aber meist fruchtbetonter, weniger kohlensäurehaltig und dadurch bekömmlicher, also ein idealer Essenbegleiter in der warmen Jahreszeit.
Ein erstaunlicher Anteil, insbesondere der spanischen Rotweine, wird in Eichenfässern verschiedenster Provenienz ausgebaut und erhält dadurch in ihrer Jugend eine besondere holzig-harzig-tannbetonte Note, die dem Wein im Alter seine Eleganz verleiht und ihn lagerungsfähig macht.
Neben dem Vino de mesa (Tafelwein), der meist keine Ursprungsbezeichung kennt, der aber von beachtlicher Qualität sein kann und häufig auch kurz im Holz ausgebaut wird, gibt es folgende gesetzlich festgelegte Einstufungen für spanische Weine:
- Vino CRIANZA: Mindestens 6 – 12 Monate in Barrique (Eichenfaß) und mindestens 1 Jahr in der Flasche gelagert;
- Vino RESERVA: Mindestens 24 Monate in Barrique und mind. 2 Jahre in der Flasche gelagert;
- Vino GRAN RESERVA: Mindestens 36 Monate in Barrique und mindestens 2 Jahre in der Flasche gelagert.
Auch gibt es noch etwa 20 verschiedene Bezeichnungen, die die unterschiedlichen Arten von Sherry umschreiben, auf die wir aber hier nicht eingehen wollen.
Die Weinrunden hatte sich insbesondere auf den vino tinto, genannt auch el negro, also auf den Rotwein konzentriert und eine entsprechende Vielfalt degustiert.
Einmal in Barcelona angekommen, war unser erstes Ziel einer der Weingroßhändler. Dort durften wir den ganzen Reichtum spanischer Weine auf einen Blick genießen und einzelne ausgewählte Flaschen desgustieren.
Ausgerüstet mit Preislisten und geschwängert mit neuen Geschmäckern und Weinwissen, ging die Reise am nächsten Tag in Richtung Priorato.
Diese Weingegend im Hinterland von Tarragona (etwa 1,5 Autostunden südwestlich von Barcelona) ist der absolute Geheimtip im spanischen Weinhimmel. Wohl nirgendwo auf der Welt müssen Reben mehr leiden als hier. Das aride Klima, welches in manchen Jahren nur die Niederschlagsmenge der Wüsten hervorbringt, läßt nur etwas weniger als 1 kg Rebsaft pro Rebe gedeihen. Bei uns tragen Reben oft die zwanzigfache Menge. Die Wurzeln dieser Reben (Tempranillo, Merlot, Cabernet-Sauvignon) dringen durch diesen steinigen Boden bis in 12 m Tiefe, um noch ein wenig Restfeuchtigkeit zu bekommen. Der Wein, der daraus entsteht ist von solcher Güte, daß die Bezeichnung “Götternektar” nur eine bescheidene Umschreibung sein kann.
Wir waren Gast bei Charles Pastrana, einem ehemaligen Journalisten aus Barcelona, der sich dem Wein verschrieben hat und der mit seiner Frau, einer Önologin aus Tarragona, etwa 150 ha Weinanbaufläche besitzt und bebaut. Auf seiner Finca Costres del Siurana produziert er u.a. den berühmten “Clos de l’Obac” , einem wahrhaft großen Wein.
Er empfahl uns, diesen Wein in Kombination mit der lokalen Spezialität, der Lammschulter, zu trinken, was wir auch taten. Das einhellige Resümee der Weinrunde: Dieser Wein muß getrunken, nicht dazu getrunken werden.
Seine Jahresproduktion ist so gering und die Nachfrage nach diesem Wein so groß, daß auf jede produzierte Flasche vier nachgefragt werden. Der Preis ist mit ca. 70.000.—Lire je Flasche – falls man eine kriegt – noch erstaunlich bescheiden.
Sein Zweit- und Drittwein Misere und Usages sind auch von beachtlicher Güte, leichter erschwinglich, leichter erhältlich und durchaus empfehlenswert.
Unsere Nachmittagsdestination war die Finca Cellers de Scala Dei, ein altes Kloster am Rande eines kargen Gebirgszuges, wo man seit über 800 Jahren wertvolle Weine produziert. Der Kellermeister, Önologe und Weinbauer Francesco Miró hat uns in seine Welt eingeführt. Von der Faßprobe bis zur Gran Reserva aus dem Jahre 1973 durften wir alles probieren, was der Keller hergab.
Besonders aufgefallen war die Cartoixa Gran Reserva 1991 für einen erstaunlich bescheidenen Preis von knapp Lit. 20.000.
Weitere große Namen im Priorat – die wir allerdings nicht besuchten – sind die Finca Mas Martinet mit dem berühmten “Clos Martinet” und der Weinproduzent Alvaro Palacios mit seinem “L’Ermità” (ca. 2.000 Flaschen/Jahr á Lit. 280.000!) und seinen beachtlichen, denm genannten “Clos de l’Obac” nahekommenden “Clos Dofí”.
Der Sonntag galt dem Schaumwein (Cava) und dem Essen. Etwa eine gute halbe Fahrstunde südwestlich von Barcelona befindet sich in der Weingegend Penedés die insbesondere durch den Anbau der weißen Traubensorten Garnacha blanca, Macabeo, Xarel-lo gekennzeichnet ist, die für die Cavaproduktion verwendet werden.
Die uns besonders in Erinnerung gebliebenen “Champagner” waren der Leopardi von Llopart und der Brut des Bruts von Recaredo (Preise: zwischen Lit. 25.000 und Lit. 35.000).
Barcelona ist immer eine Reise wert. Seit den Olympischen Spielen 1992 hat sie sich wohl zur modernsten und bestfunktionierenden Stadt Südeuropas gemausert. Sie ist voller Leben, voller Kreativität und voller Überraschungen. Ein verlängertes Wochenende lohnt sich allemal.
- Anreise: Verona – Barcelona mit Air Dolomiti Kosten ca. Lit. 530.000.—
- Leihauto: für 6 Personen Kosten ca. Lit. 210.000.–/Tag
- Unterkunft: Empfehlung: nicht beim Hotel sparen. Kann auch mit dem Flug direkt im Reisebüro reserviert werden. Hotel sollte mind. 3 Sterne haben. Ein gutes und preiswertes Haus ist das Balmoral**** am oberen Ende der beiden wichtigsten Einkaufsstraßen gelegen: Tel. 0034-3-2178700
- Einkaufsstraßen: Rambla de Catalunya und Paseo de Grácia
- Beste Zeit: September bis Juni
- Essen/Restaurants: “Gaig”, “Ca l’Isidre”, “Cal Pep”, “Peixerot” “Gorria”
- Disco: “Otto Zuez”
- Salsa: “Mare Magnum”